Hahnemann, der Pharmazeut

Von Siegfried Letzel

Hahnemann als einen der ersten bedeutenden Chemiker haben wir in einem vorangegangenen Artikel bereits kennengelernt. Nun war dies nicht der einzige wissenschaftliche Bereich, in dem er sich als ein Vorreiter entpuppte. Gleich bei vielen Gelegenheiten begann er neue Erkenntnisse aus der Chemie in die Medizin einfließen zu lassen. Und dies betraf zunächst vor allem Medikamente.

1787 schrieb er mit dem Brüsseler Apotheker van den Sande das Buch „Die Kennzeichen der Güte und Verfälschung der Arzneimittel“, das im chemischen Teil und bei den Bestandteilen der Drogen aus Hahnemanns Feder stammt. Die ‚Prüfungsstoffe‘ für die Arzneimittel gibt Hahnemann so gedrängt, treffend und erschöpfend an, wie man es ähnlich auch noch in modernen Pharmakopöen (amtliche Arzneibücher) findet.

Hahnemann beklagte damals bereits die „Unzuverlässigkeit der pharmaceutischen Präparate“ und fragt: „Worauf soll der Arzt sich verlassen?“ Denn jeder Apotheker mischte die Rezepte unterschiedlich, die Qualität der Ausgangsmaterialien war sehr durchwachsen. Und so konnte der Patient am Ende nicht wissen, was er an Arznei tatsächlich zu sich nahm. Hahnemanns Exaktheit und bedingungslose Liebe zu Details ließ ihn neue Erkenntnisse gewinnen. Er forderte eine festgeschriebene Herstellung von Arzneimitteln: „… damit wir doch endlich einmal in der Heilkunst von den Kräften dieses Mittels eine zuverlässige Norm bekommen mögen“. Dies schrieb er bei seiner Forderung für die Herstellung von Brechweinstein (Kaliumantimonyltartrat) – eine als Brechmittel verwendete Arznei zu jener Zeit.

Chemiker waren damals auch auf der Suche nach einem Quecksilberpräparat für die Behandlung von (zumeist syphilitischen) Patienten, welches weniger ätzend und giftig sein sollte als das übliche. Hahnemann fand ein Verfahren für die Herstellung von Mercurius solubilis (viel später erhielt diese Substanz noch den Zusatznamen ‚Hahnemanni’). Diese Arznei war wesentlich verträglicher als die bisherige. Ein Kritiker: “Eines der allerwirksamsten gelinden Mercurialpräparate verdankt die Kunst dem bekannten und dadurch unsterblichen Hahnemann“.

1793 und 1799 erschienen die beiden Bände seines 4-teiligen ‚Apothekerlexikons‘ (über 1200 Buchseiten), ein sehr komplettes Werk. „Der Stoff darin ist alphabetisch geordnet und bespricht alle Gegenstände, welche den Apotheker bei seinen Arbeiten interessieren. Die Darstellung ist kurz, lebendig und anregend. Man findet eine genaue Beschreibung der zweckmäßigsten Einrichtung einer Apotheke und deren Räume. Ebenso sind die einzelnen Utensilien genau und mit großem Sachverständnis beschrieben. Jeder von diesen Artikeln zeigt, wie speziell Hahnemann mit den Arbeiten vertraut ist. Häufig führt er neue, von ihm erfundene oder verbesserte Apparate an, nicht ohne das Verständnis durch Abbildungen zu unterstützen.“ So eine Buchkritik aus dem Jahre 1884.

Erstmalig bekamen die Apotheker sehr präzise Anleitungen für alle Belange ihrer beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch für ihre Arbeit in ihren Laboren und mit Rezepten, wobei viele Anweisungen sogar zu gesetzlichen Vorschriften wurden. Seine Sachkenntnis beweist Hahnemann auch an scheinbar Unbedeutendem, denn er war ein Mann der Praxis und kannte die Probleme und Schwierigkeiten der Pharmazeuten. Und so war es kein großer Schritt dahin, dass eine Reihe von Hahnemanns Forderungen, die er in seinem Lexikon untergebracht hat, für die Apothekenverwaltung allgemein angenommen wurden.

In Kraus‘ ‚Medicinischem Lexikon‘ steht: „Hahnemann ist ein anerkannt guter Pharmazeut und hatte sich als solcher durch Darstellung seines sogenannten Mercurius solubilis und zum Theil durch seine Abhandlung über Arsenikvergiftung, wenn gleich nach ihm diese Lehre um ein Bedeutendes vervollkommnet ist, unverwelkliche Lorbeeren erworben.“
Und so hat der Forschergeist und eiserne Fleiß des Torgauers direkt und indirekt wichtige Beiträge zur Verbesserung der ärztlichen Heilwerkzeuge, wie man sie damals nannte, geliefert. Er trug wesentlich dazu bei, Qualität und Verlässlichkeit von Medikamenten, einer der Grundlagen der ärztlichen Kunst, zu verbessern.

Das Apothekerlexikon ist schon ein echtes Meisterwerk. Als unser Verein vor Jahren ein ansonsten vergriffenes Exemplar des Nachdruckes erstand, waren wir ob der Fülle des Werkes fassungslos. So ist es kein Wunder, dass es gut 100 Jahre lang trotz der rasanten Fortentwicklung der Wissenschaften würdige Beachtung fand. Noch heute gelten einige von Hahnemanns Forderungen und Beiträge als pure Selbstverständlichkeit.

Zwischenzeitlich befinden sich beide Bände mit ihren 4 Teilen von 1793-1799 im Original in unserer Sammlung. Wir sind sehr froh, dass nun diese extrem seltenen Bücher für die Besucher unserer Ausstellung leicht zugänglich sind. Und darin sehen Sie eines unserer Vereinsziele: Sicherung und Erhalt der Werke dieses weltberühmten Mediziners!