Alle Beiträge von Webmaster

Der Geburtstag des berühmten Homöpathen

Von Siegfried Letzel

Samuel Hahnemann. Die VORLAGE zu dem Ölgemälde stammt aus dem Jahr 1835. Foto: Siegfried Letzel

Am Karfreitag 2020 war der 265. Geburtstag von Dr. Samuel Hahnemann, einem der geschichtsträchtigsten Bürger Meißens und auch Torgaus. Im vorhergehenden Beitrag konnten Sie erfahren, wie er mit seiner von ihm selbst entwickelten und erfolgreichen Heilmethode während der Choleraepidemie von 1831 für Aufsehen sorgte. Eigentlich wollte ich hier von Hahnemanns Geburtstagsfeier, mit vielen internationalen Gästen des Internationalen Hahnemannzentrums in Torgau, berichten. Diese musste jedoch aus verständlichen Gründen abgesagt werden und so lesen Sie an dieser Stelle verschiedene Geschichten, die mit dem Geburtstag des berühmten Mediziners in Verbindung gebracht werden.

Am 10. April 1805, Hahnemann war noch keine vier Monate in Torgau, feierte er seinen 50. Geburtstag. Leider sind von den Festlichkeiten keine Einzelheiten überliefert. Torgau schien es ihm schnell angetan zu haben, denn er wurde zum ersten Mal in seinem Leben sesshaft. Zuvor hatte er rund 20 Mal seinen Wohnort gewechselt. Nun war er sehr glücklich in seinem, wie er schrieb, ,lieben bequemen Freihaus’ in der Torgauer Pfarrgasse (heute Pfarrstraße). Weiter noch: „Ich lebe im Zirkel einer mir theuern Familie – einer Frau von seltener Güte und sieben fast erwachsener, froher, unterrichteter, folgsamer, unschuldvoller Töchter, die mich auf Händen tragen und mir mein Leben (auch schon durch Musik) versüßen – zudem kann ich, was sich mir an Kranken anvertraut, fast ohne Ausnahme schnell, leicht und auf Dauer heilen und so eine Menge Menschen glücklich machen – durch den, der die wunderbaren Mittel schuf und in meine Hand legte. Bin ich nicht fast zu beneiden?”

Die Sicherheit, eine Heimat in Torgau gefunden zu haben, ließ Hahnemanns ohnehin schon beachtliche Schaffenskraft regelrecht explodieren. In diesen wenigen Jahren bis 1811, die er hier verbrachte, betrieb er eine stetig anwachsende Arztpraxis. Zudem entwickelte er seine Heilmethode der Homöopathie in Theorie, Schrift und Praxis.

1855: Der 100. Geburtstag Dr. Samuel Hahnemanns

50 Jahre später in Meißen: Hahnemann war 1843 in Paris verstorben, aber in seiner Geburtsstadt Meißen war er nicht vergessen. 1855 fanden hier und in Wien große Geburtstagsfeiern zum 100. statt, bei denen ihm mit großem Aufwand gedacht wurde.
In Meißen stand noch das Geburtshaus von Samuel, das von 1753 bis 1782 im Besitz der Familie war.

Am 11. April 1855 wurde dort eine Hahnemann-Gedenktafel enthüllt. Ursprünglich war der Festakt für den 10. April geplant, denn dieses Datum gibt Hahnemann in seiner Autobiografie als seinen Geburtstag an. Jedoch fanden die Veranstalter heraus, dass im Taufregister der Frauenkirche in Meißen der „11. April, früh“ eingetragen ist. Tatsächlich war es wohl nahe Mitternacht, als der Junge das Licht der Welt erblickte.

Am Festtag hatten um 10.30 Uhr die Aktivitäten im Gasthof Hirsch mit der ärztlichen Sitzung des Zentralvereins Homöopathischer Ärzte begonnen.

Gegen 12.30 Uhr fand der Hauptakt des Festes mit den Feierlichkeiten im Festsaal der Landesschule zu Meißen statt, in welcher Hahnemann seine erste wissenschaftliche Bildung erhalten hatte. Der Schulrektor Dr. Francke hielt eine Ansprache, die vom Vortrag Dr. Hirschels über das Leben und Wirken Samuel Hahnemanns gefolgt wurde. Anschließend referierte der Primaner Lemaistre zum Thema „Wie kommt es, dass wir so gern das Andenken großer Männer feiern, welche aus dieser Schule hervorgegangen sind?“.

War dieser Teil des Festes ein wissenschaftlicher Akt, so kann die folgende Enthüllung der Gedenktafel am Hahnemann-Haus gewissermaßen als ein volkstümlicher bezeichnet werden.

Der Kunststich, der die nachfolgend beschriebene Festlichkeit darstellt, entstammt dem „Illustrirten Kalender für 1857. Jahrbuch der Ereignisse, Bestrebungen und Fortschritte im Völkerleben und im Gebiete der Wissenschaften, Künste und Gewerbe.“ (Druck: Verlagsbuchhandlung von J.J. Weber, Leipzig, 1857). Foto: Privat

Der Kunststich, der die nachfolgend beschriebene Festlichkeit darstellt, entstammt dem „Illustrirten Kalender für 1857. Jahrbuch der Ereignisse, Bestrebungen und Fortschritte im Völkerleben und im Gebiete der Wissenschaften, Künste und Gewerbe.“ (Druck: Verlagsbuchhandlung von J.J. Weber, Leipzig, 1857). Foto: Privat

Dr. Hirschel, ein Augenzeuge, berichtet von der Festlichkeit mit folgender Beschreibung:

Von der Schule aus setzte sich der stattliche Festzug, die Mitglieder des Stadtrats und der Schule mit inbegriffen, in Bewegung und ging in malerischer Schlängelung den Berg hinab durch die Stadt hindurch bis zu dem Hause Hahnemanns. Beim Eintritt in die dahin führende Straße überraschte der festliche Schmuck sämtlicher Häuser, welche mit grünweißen Fahnen, Festons, Blumen usw. reich verziert waren. An einem Haus war unter Blumen das Bildnis Hahnemanns (welches aus der lithografischen Anstalt von Steinmetz in Meißen eigens zu diesem Tage hervorgegangen war) sinnreich angebracht, an einem anderen sprach eine Inschrift den Wunsch aus, dass man den Platz als ,Hahnemanns-Platz’ bezeichnen möge. Der Platz selbst war vom Stadtrat passend hergerichtet worden. Eine Einzäunung aus grünem Nadelholz umgab die vor dem Haus angebrachte und mit gleich lebendigem Schmucke verzierte Rednerbühne. Eine Reihe junger Bäumchen, Guirlanden und Kränze zierten das Haus selbst, welches der jetzige Besitzer freundlich dekoriert und mit neuem Anstrich innen und außen versehen hatte. Vor dem Haus erwartete den Zug eine zahlreiche Menge aus allen Ständen; im Erdgeschoss desselben war eine Anzahl Damen eingetreten; alle Fenster des geräumigen Platzes waren mit Zuschauern besetzt, so dass das Ganze einen recht belebten Anstrich bot.

Als der Zug in die für ihn bestimmte Abgrenzung eingetreten war, bestieg ich die Rednerbühne und sprach zu der versammelten Menschenmenge.

Bei meinen letzten Worten fiel unter einem Tusch des Musikchors die Hülle der Gedenktafel und zeigte die schön ausgeführte Inschrift:

HIER WARD GEBOREN,
CHR. FR. SAMUEL
HAHNEMANN
DER BEGRÜNDER DER
HOMOEOPATHIE,

D. 10 APRIL 1755

Nach einer kleinen Pause begrüßte, ebenfalls von der Tribüne herab, Herr Bürgermeister DIETRICH die Versammelten. Damit endete die öffentliche Feier.

Waren die bisherigen Eindrücke erhebender Natur, so erfreute das darauf folgende Festmahl im Saale des Hirsch, welcher unter geschmackvoller Blumendekoration die Büste Hahnemanns barg, durch die Genüsse, welche Ernst und Humor in einer ununterbrochenen Reihe von Sprüchen boten. Ein Geist der Heiterkeit und des Friedens umwehte die Festgenossen von nah und fern …

So schloss dieser Tag wahrer, freudiger Erhebung. Spät trennten sich die Festteilnehmer, die Letzten mit der zu diesem Tag angesetzten Extrafahrt des Dampfschiffes.“

Gedenktafel von 1855. Foto: Siegfried Letzel, Juni 2020


Hahnemannhaus in Meißen, Juni 2020. Foto: S. Letzel

 

Ausschnitt Fassade am Hahnemannhaus

Ausblick:

Am 10. April wird bis heute weltweit an den Begründer der Homöopathie gedacht und der „World Homeopathy Day“ gefeiert. Es gibt zahllose Veranstaltungen rund um den Globus, bei denen sich Interessierte ganz ungezwungen treffen und etwas über Hahnemanns Heilmethode erfahren, lernen und sich austauschen können – auch das IHZT in Torgau machte da keine Ausnahme.

Demnächst wird die letzte Auflage von Hahnemanns Organon der Heilkunst, sein grundlegendes Lehrbuch,  herausgegeben erst im Jahre 1921 durch Richard Haehl, 100 Jahre alt. Das IHZT freut sich wie eigentlich jedes Jahr, wenn Sie vorbeikommen und es sich gut gehen lassen. Möge dann das IHZT besucht sein wie 1855 Meißens Hahnemann-Platz.

Hahnemann im Angesicht der Choleraepidemie von 1831

Von Siegfried Letzel

Samuel Hahnemann. Die VORLAGE zu dem Ölgemälde stammt aus dem Jahr 1835. Foto: Siegfried Letzel

Das Jahr 2020 wird wohl möglicherweise als ,Corona-Krise’ in die Geschichtsbücher eingehen – weniger aus medizinischer, sondern eher aus volkswirtschaftlicher Sicht. Bei all den Einschränkungen und Opfern, die die breite Gesellschaft erbringen musste, damit die medizinische Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend vielen Intensivbetten und Beatmungsgeräten gewährleistet werden kann, darf man sich schon einmal die Frage stellen, wie es in vergleichbaren Szenarien wohl damals war, als es noch keine wissenschaftliche Medizin in der Form gab, wie wir sie heute kennen.

Epidemien und Pandemien, Infektionskrankheiten generell, hat es in der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben. Bakterien und Viren waren noch nicht bekannt – nicht einmal Hygiene, wie sie heute für uns selbstverständlich ist. Vorwiegend in städtischen Gebieten und vor allem zu ,schlechten’ und zu Kriegszeiten waren Infektionskrankheiten, akut und chronisch, ständige Begleiter des menschlichen Lebens.

Zu Zeiten, als Seuchen grassierten, waren ihnen die Menschen ziemlich hoffnungslos ausgesetzt. Ärzte versuchten, ihren Patienten mit allen möglichen Therapieverfahren zu helfen, die Sterberate war jedoch oft unerträglich hoch.

So war es auch im Jahre 1831, als eine menschenmordende Seuche mit ungeheurer Schnelligkeit und Tödlichkeit von Russland kommend (ca. 200000 Opfer) Europa erfasste. Das Baltikum, Polen (1100 Tote alleine in Warschau) und Galizien waren schon betroffen. In Preußen und Österreich wurden die Grenzen geschlossen. Quarantänestationen wurden eingerichtet. Dennoch ließ sich diese asiatische Cholera nicht aufhalten.

In ihrer Unwissenheit waren die Ärzte hilflos. Aderlass war eine sehr verbreitete Behandlungsmethode, Blutegel und Schröpfköpfe wurden eingesetzt, aber auch Arzneien wie Kalomel (ein giftiges Quecksilberpräparat). Diese Arznei war zu jener Zeit das wesentliche Standardbrech- und -abführmittel und quasi in jeder Arzttasche vorhanden. Man sieht es schon: bei den meisten Therapieversuchen wurden die Patienten weiter geschwächt, was nicht wirklich förderlich war. Eine ,Pharmacopoea anticholerica’ (ein Arzneibuch mit Arzneien gegen die Cholera) enthielt 238 Arzneimittelbeschreibungen, die aus heutiger Sicht allesamt wirkungslos waren.

Zu dieser Zeit der Agonie und Hoffnungslosigkeit war es der in Meißen geborene Chemiker, Pharmakologe und Arzt Dr. Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, der seinen eigenen Therapieansatz in vier Schriften veröffentlichte.

Schon zu dieser Zeit vermutete er, dass das sogenannte Choleramiasma „in einem unsern Sinne entfliehenden lebenden Wesen menschenmörderischer Art” besteht. Laut Philosoph Fechners Untersuchung von 54 angeführten Forschern war Samuel Hahnemann der Einzige, der Kleinlebewesen annahm und der Krankheitsursache nahe kam.

Hahnemann blieb seinem inzwischen angenommenen Grundsatz treu, auch Cholera als ‘feststehende Krankheit’ entsprechend feststehend zu behandeln, indem er gleichförmig Kranken dasselbe Mittel verabreichte. Mit seiner ,therapia magna sterilisans’ empfahl er als erster Arzt mit Kampferspiritus als Heilarznei – aber auch Schutz- und Desinfektionsmittel – eine Anwendung gegen die Choleragefahr.

In fortgeschrittenen Krankheitsstadien empfahl er den Symptomen entsprechende homöopathische Arzneien.

Damit stand er alleine auf weiter Flur. Die von Hahnemann empfohlene Behandlung zeigte sich bald als außerordentlich wertvoll und erfolgreich. Sogar Medizinalbehörden mussten sein Verfahren widerstrebend empfehlen.

Aber Hahnemann dachte noch weiter, um weitere Ansteckungen und eine weitere Verbreitung unmöglich zu machen: er verlangte, dass alle in Quarantäne oder dort in Kontakt tretende Personen „ihre Wäsche usw. zwei Stunden lang einer Backofen-Hitze von 80 Grad aussetzen. Dies sei eine Hitze, in welcher alle bekannten Ansteckungsstoffe und so auch die lebenden Miasmen vernichtet werden. Währenddessen wird ihr Körper durch schnelles Waschen gereinigt und mit reiner, leinener oder barchentner [dick baumwollene] zum Hause gehöriger Bekleidung versehen.“

Dies war schlichtweg revolutionär in der abendländischen Medizin.

Köthen zur Zeit Hahnemanns

Dieses Bild entstammt der 1922 erschienenen Hahnemann-Biografie von Richard Haehl und zeigt Köthen zur Zeit Hahnemanns.

Wenn man bedenkt, dass Hahnemann weder die Mikroskopie in dem Maße zur Verfügung stand, wie der neuzeitlichen Wissenschaft, noch die persönliche Beobachtung von Cholerakranken (in Köthen) möglich war, so dass er ausschließlich auf die eingehenden Krankheitsschilderungen und Symptomenbeschreibungen seiner Freunde und Schüler angewiesen war, die er um solche ausdrücklich und dringend ersucht hatte, so ist es geradezu erstaunlich, mit welcher Bestimmtheit und Sicherheit er, wohl als erster, auf das Choleramiasma als auf ein „Lebewesen niederer Ordnung, das in seiner Kleinheit unsern natürlichen Sinnen entrückt sei“, hinwies, und wie er dann, aus dieser Erkenntnis schließend, die ansteckende Eigenschaft der Krankheit, die durch persönliche Berührung weiterverbreitet werde, mit aller Bestimmtheit behauptete und festhielt. Aus dieser seiner Auffassung kamen dann auch seine für die damaligen Verhältnisse so auffallend wirksamen Gegenmittel.

So sorgte die Choleraepidemie von 1831 zu einer sprunghaft gesteigerten Akzeptanz der Homöopathie, die bis zum heutigen Tag weltweit und im Wesentlichen unverändert praktiziert wird.

Hahnemann, 1829